Nach Paris und vor Karlsruhe: Alain Blondel im Interview
Das Interview führte Ewald Walker.
Alain Blondel, wie lange haben Sie an Ihrem olympischen Traum Paris 2024 gearbeitet?
Seit Juni 2021, also über drei Jahre, war ich als Olympiamacher der Leichtathletik und Para-Leichtathletik im Stade de France und den Straßenwettbewerben tätig.
Beschreiben Sie uns Ihre Tätigkeit etwas genauer?
Dazu gehörte die Gesamtorganisation im Stadion und bei den Straßenwettbewerben. Dazu gehörte die Bahnerneuerung im Vorfeld, die sportliche Leitung der Wettkämpfe, die Rekrutierung der Volunteers und des Kampfgerichtes, das Kampfrichtergeschehen, die Aufwärmanlagen, der Zeitplan, die Organisation der Marathons und dem Gehen sowie die ganzen Fragen der Sicherheit rund um diese Ereignisse, um nur einige zu nennen. Es war ein Job rund um die Uhr.
Am Eröffnungstag gab es Anschläge auf die Bahn im Westen. Wie hat dies die Organisatoren getroffen?
Natürlich waren wir besorgt und dachten: oje, jetzt geht`s los. Doch Unruhe bringt einen nicht voran. Die Notplanung hat funktioniert.
Die Atmosphäre an den Wettkampfanlagen war ja fast euphorisch, auch im Stadion…
Es war einfach großartig, davon haben wir alle nur geträumt. Dass am ersten Vormittag eine Stunde vor Beginn der Wettkämpfe schon über 60.000 Zuschauer im Stadion waren, hat mir eine Gänsehaut versetzt. Und dieses Gefühl hatten wir an allen Tagen dieser Olympischen Spiele. Unser Anspruch im Vorfeld war, dass wir die besten Spiele der Geschichte machen wollen und dass von diesem Ereignis ein Zeichen in die Welt gesandt werden sollte. Insgesamt wohnten über zwei Millionen Zuschauer allein der Leichtathletik bei – das war absolut außergewöhnlich.
Was waren für Sie die sportlichen Highlights im Stade de France?
Dass wir gleich am ersten Abend mit einem Weltrekord (in der 4x400 Meter-Mixed-Staffel) gestartet sind, war genial. Der Olympiasieg und Weltrekord von Stabhochspringer Armand Duplantis war aus meiner Sicht das Sahnehäubchen der Leichtathletik-Wettbewerbe.
Als jahrelanger Meetingmacher in Stuttgart und Karlsruhe haben Sie vermutlich auch auf das Abschneiden der deutschen Athleten geschaut….
Natürlich, als ehemaliger Zehnkämpfer hat mich besonders der Zehnkampf mit Leo Neugebauer interessiert und ich habe auch Malaika Mihambo verfolgt, die mit ihrer Silbermedaille eine große Bedeutung für die deutsche Leichtathletik eingenommen hat.
Man hatte während der Spiele das Gefühl, ganz Frankreich steht hinter diesem Ereignis...
Es hat Zeit gebraucht für die breite Unterstützung. Am Anfang kam das Gefühl der Erleichterung auf („Ist es wahr, sind es unsere Spiele?“). Diejenigen, die während der Spiele aus Paris aufs Land geflüchtet sind, haben gemerkt, dass sie etwas verpassen. Die Versuche, doch noch zu den Wettkämpfen reinzukommen, sind an der Auslastung der Zuschauerkapazitäten gescheitert.
Sie haben im Vorfeld von einer Vision für diese Spiele gesprochen. Wie sah diese aus?
Diese Spiele sollten ganz in Diensten der Sportler stehen und wir wollten paritätische Spiele mit erstmals gleich vielen Frauen und Männern. Insgesamt 15 ehemalige Hochleistungssportlerinnen und ehemalige Olympiateilnehmer im Organisationskomitee haben entscheidend zum Gelingen beigetragen.
Haben die Probleme mit einer verschmutzten Seine, die zum Aufschub der Triathlon-Wettbewerbe geführt haben, den Spielen geschadet?
Für mich hatte die Sache mit der Seine einen tieferen Hintergrund, ich habe dies mit anderen Augen gesehen. Ohne die Olympischen Spiele hätte die Diskussion um die Verschmutzung der Seine und unserer Umwelt gar nicht stattgefunden. Man kann daran erkennen, wie wenig sorgfältig unser Umgang mit der Erde ist.
Ein besonderer emotionaler Aspekt war die Glocke im Stade de France, die jede Olympiasiegerin, jeder Olympiasieger anschlagen durfte. Was hat es mit dieser Glocke auf sich?
Sie wurde extra als Reminiszenz an die 2019 teilweise ausgebrannte Kirche von Notre Dame gegossen und geht zur Einweihung am 7./8. Dezember nach Notre Dame. Dies war ein einzigartiges Zeichen der Leichtathletik und Para Leichtathletik-Wettkämpfe.
Wie geht es für Alain Blondel nach seinem olympischen Traum weiter?
Am 7. Februar 2025 steht das 40. Hallenmeeting in Karlsruhe an, da stehe ich als sportlicher Direktor in der Verantwortung. Darauf freue ich mich, denn wir kehren dabei nach fünf Jahren wieder in die Europahalle zurück.
Alain Blondel (62) ist ein ehemaliger französischer Zehnkampf-Europameister von 1994; seine Bestleistungen: 5,40 Meter im Stabhochsprung, 4:04,76 Minuten über 1.500 Meter und 8.453 Punkte; WM-Fünfter 1993 in Stuttgart, ehemaliger Trainer und Lebenspartner von Heike Drechsler. Blondel war fünf Jahre Sportlicher Leiter beim Sparkassen-Cup in der Stuttgarter Schleyer-Halle und seit 27 Jahren beim Internationalen Hallenmeeting in Karlsruhe.
10.500 Sportlerinnen und Sportler aus 206 Nationen (Olympische Spiele) und 4.000 Athleten aus 168 Nationen (Paralympics) haben in Paris teilgenommen. Insgesamt 32 Sportarten kamen zur Austragung, darunter auch neue Sportarten wie Breaking, Kajak-Cross oder Kite-Surfen und Mixed-Formate. Mit der Eröffnungsfeier auf dem Wasser (Seine) gab es weitere Innovationen.
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